Im Gespräch | Ferike Thom
Die Agrarökonomin über überraschende Ergebnisse und warum ihre Arbeit manchmal mit einem Escape Room vergleichbar ist.
10.09.2020
Einfach zusammengefasst: was können wir uns unter Ihrem Projekt vorstellen?
Ich schaue mir in meinem Projekt an, wie sich die der Agrar- und Ernährungssektor in der EU und Deutschland verändert, wenn erstens die EU sich komplett selbst mit Nahrungsmitteln versorgen würde und zweitens eine Veränderung von der landbasierten Agrarwirtschaft auf dem Feld zu einer Landwirtschaft in geschlossenen Systemen, z. B. Indoor-Farmen, wechseln würden.
Was verbirgt sich hinter den Gleichgewichtsmodellen, mit denen Sie arbeiten?
Die Computermodelle, mit denen ich arbeite, sind im Kern Gleichungssysteme, wie man sie aus dem Mathematikunterricht in der Schule kennt, also Gleichungen mit verschiedenen Variablen, z. B. x = 2y oder x = y+2, die verschiedene wirtschaftliche Zusammenhänge beschreiben. In diesen Gleichungen ist unter anderem festgelegt, dass nur konsumiert werden kann, was auch produziert oder importiert wurde. Verfügbare Agrarflächen für die Produktion bestimmter Produkte sind ebenfalls in den Gleichungen berücksichtigt.
Wir suchen bei der Arbeit mit dem Modell die Mengen, die produziert und konsumiert werden, für die alle Gleichungen erfüllt werden, d. h. wenn das System im Gleichgewicht ist. Allgemeine Gleichgewichtsmodelle berücksichtigen die gesamte Volkswirtschaft, d. h. alle Sektoren wie Arbeitsmarkt oder Währungswechselkurse. In partiellen Gleichgewichtssystemen, und mit so einem arbeite ich aktuell, wird nur ein Bereich betrachtet: hier geht es nur um Landwirtschaft. Im Gegensatz zu allgemeinen Modellen gibt es hier nicht nur einen zusammenfassenden Landwirtschafts- oder Getreide-Sektor, sondern es wird eine detaillierte Aufgliederung in viele Gleichungen vorgenommen: Weizen, Roggen, Hafer etc.
Man unterscheidet dann noch statische und rekursiv-dynamische Modelle: statische Modelle betrachten jeweils ein Jahr und man geht davon aus, dass sich nach Anpassungen an Veränderungen ein neues Gleichgewicht einstellt, das man wiederum beschreiben kann. Dynamische Modelle berücksichtigen wiederum die Entwicklungspfade, entlang derer sich Gleichgewichte einstellen. Da diese Modelle um ein vielfaches komplexer, aber nur einen mäßigen Mehrwert für meine spezifische Fragestellung liefern, arbeite ich mit einem partiellen statischen Gleichgewichtsmodell.