Gutachten „Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands"
Prof. H. Grethe und Ferike Thom (HU Berlin) geben Empfehlungen für die Umsetzung von Klimaschutzzielen in der Landwirtschaft
02.07.2021
Das Gutachten empfiehlt, sich neben der Vielzahl von technologischen Möglichkeiten, den Ausstoß von CO2-Äquivalenten zu verringern, auf drei zentrale Handlungsfelder fokussieren:
1) Verbesserung der Stickstoffeffizienz
Sie könnte nicht nur zur Einsparung von relevanten Mengen an Treibhausgasemissionen führen, sondern auch positive Auswirkungen auf andere Nachhaltigkeitsziele wie Gewässerschutz oder Luftqualität haben. Die Experti*nnen schlagen als zentrale Aktivitäten vor, die Stoffströme der einzelnen Betriebe zu bilanzieren und zusätzlich eine Stickstoffsteuer auf den Verbrauch mineralischer Düngemittel einzuführen.
2) Verringerung von Konsum und Produktion tierischer Produkte
Die bestehenden Konsumgewohnheiten und der hohe Anteil tierischer Produkte an der landwirtschaftlichen Wertschöpfung machen eine grundlegende Veränderung in diesem Bereich notwendig. Mögliche Maßnahmen könnten klassische Informationskampagnen, die Vorbildwirkung der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung, Bildungsangebote in Kitas und Schulen und die Einführung eines staatlichen Klimalabels für Nahrungsmittel sein. Darüber hinaus sollte die Bevorzugung tierischer Produkte bei der Umsatzsteuer sofort beendet werden und für tierische Produkte künftig der Regelsatz von 19% (begleitet von einer Kompensation einkommensschwacher Haushalte) gelten.
3) Wiedervernässung von Mooren
Die Nutzung von trockengelegten Mooren verursacht ca. 40% der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Für die Wiedervernässung wird die Erarbeitung einer nationalen Moorschutzstrategie empfohlen. Sie soll klare Ziele (weitgehende Wiedervernässung bis 2045), politische Beschlüsse zur Konkretisierung und Finanzierung, die Schaffung bzw. Beauftragung von Institutionen für die Umsetzung, die Zusammenstellung erforderlicher Daten, und die Entwicklung eines Pakets politischer Instrumente enthalten. Mögliche Instrumente könnten freiwillige Anreize, planungs- und ordnungsrechtliche Maßnahmen oder eine Besteuerung von Emissionen sein.
Die Expert*innen stellen fest, dass die umfangreiche Transformation des Agrar- und Ernährungssystems Teil einer neuen Einbettung der Landwirtschaft in die Gesellschaft und einer Neuausrichtung der Agrar- und Ernährungspolitik sein muss, dazu Prof. Dr. Harald Grethe im Gespräch mit der Humboldt-Universität zu Berlin: “Ich meine, dass die Zeit reif ist für einen neuen gesellschaftlichen Grundkonsens: Wir honorieren als Gesellschaft die Landwirtschaft, finanziell wie auch in Form von Wertschätzung, für die Erbringung der Gemeinwohlleistungen, die wir haben wollen: Umweltschutz, Klimaschutz, Tierschutz. Der Preis dafür ist: Abschied vom gegenwärtigen Subventionssystem und proaktive Teilnahme an den gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsdebatten. Ich meine, ein solcher Grundkonsens wäre diesen Preis wert!”
Text: A. Neumann, IGZ
Quellen:
Gutachten „Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands"
Interview der HU Berlin