Gutachten „Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands"

Prof. H. Grethe und Ferike Thom (HU Berlin) geben Empfehlungen für die Umsetzung von Klimaschutzzielen in der Landwirtschaft

02.07.2021
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© Photo by Karsten Würth on Unsplash

Die f4f-Wissenschaftler*innen Prof. Dr. Harald Grethe und Ferike (beide Humboldt-Universität zu Berlin) haben am Gutachten „Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands“ mitgewirkt, das die Stiftung Klimaneutralität nun veröffentlicht hat. Das Gutachten kritisiert, dass der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf zu einem überarbeiteten Klimaschutzgesetz unzureichende und wenig konkrete Maßnahmen und Instrumente beinhaltet, um das Ziel der Minderung der zulässigen Jahresemissionsmengen von 70 Mio. t CO2-Äquivalenten in 2020 auf 56 Mio. t im Landwirtschaftssektor bis 2030 zu erreichen. Zudem würden über 2030 hinaus keine spezifischen Ziele für die Landwirtschaft formuliert. 

Das Gutachten empfiehlt, sich neben der Vielzahl von technologischen Möglichkeiten, den Ausstoß von CO2-Äquivalenten zu verringern, auf drei zentrale Handlungsfelder fokussieren:

1) Verbesserung der Stickstoffeffizienz
Sie könnte nicht nur zur Einsparung von relevanten Mengen an Treibhausgasemissionen führen, sondern auch positive Auswirkungen auf andere Nachhaltigkeitsziele wie Gewässerschutz oder Luftqualität haben. Die Experti*nnen schlagen als zentrale Aktivitäten vor, die Stoffströme der einzelnen Betriebe zu bilanzieren und zusätzlich eine Stickstoffsteuer auf den Verbrauch mineralischer Düngemittel einzuführen. 

2) Verringerung von Konsum und Produktion tierischer Produkte
Die bestehenden Konsumgewohnheiten und der hohe Anteil tierischer Produkte an der landwirtschaftlichen Wertschöpfung machen eine grundlegende Veränderung in diesem Bereich notwendig. Mögliche Maßnahmen könnten klassische Informationskampagnen, die Vorbildwirkung der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung, Bildungsangebote in Kitas und Schulen und die  Einführung eines staatlichen Klimalabels für Nahrungsmittel sein. Darüber hinaus sollte die Bevorzugung tierischer Produkte bei der Umsatzsteuer sofort beendet werden und für tierische Produkte künftig der Regelsatz von 19% (begleitet von einer Kompensation einkommensschwacher Haushalte) gelten. 

3) Wiedervernässung von Mooren 
Die Nutzung von trockengelegten Mooren verursacht ca. 40% der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft. Für die Wiedervernässung wird die Erarbeitung einer nationalen Moorschutzstrategie empfohlen. Sie soll klare Ziele (weitgehende Wiedervernässung bis 2045), politische Beschlüsse zur Konkretisierung und Finanzierung, die Schaffung bzw. Beauftragung von Institutionen für die Umsetzung, die Zusammenstellung erforderlicher Daten, und die Entwicklung eines Pakets politischer Instrumente enthalten. Mögliche Instrumente könnten freiwillige Anreize, planungs- und ordnungsrechtliche Maßnahmen oder eine Besteuerung von Emissionen sein. 

Die Expert*innen stellen fest, dass die umfangreiche Transformation des Agrar- und Ernährungssystems Teil einer neuen Einbettung der Landwirtschaft in die Gesellschaft und einer Neuausrichtung der Agrar- und Ernährungspolitik sein muss, dazu Prof. Dr. Harald Grethe im Gespräch mit der Humboldt-Universität zu Berlin: “Ich meine, dass die Zeit reif ist für einen neuen gesellschaftlichen Grundkonsens: Wir honorieren als Gesellschaft die Landwirtschaft, finanziell wie auch in Form von Wertschätzung, für die Erbringung der Gemeinwohlleistungen, die wir haben wollen: Umweltschutz, Klimaschutz, Tierschutz. Der Preis dafür ist: Abschied vom gegenwärtigen Subventionssystem und proaktive Teilnahme an den gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsdebatten. Ich meine, ein solcher Grundkonsens wäre diesen Preis wert!”

Text: A. Neumann, IGZ

Quellen: 

Gutachten „Klimaschutz im Agrar- und Ernährungssystem Deutschlands
Interview der HU Berlin